Barbara Rieger
Klappentext:
Es wird eskalieren. Ein atemlos erzählter Roman über die Dynamik einer vereinnahmenden Liebesbeziehung, von der idyllischen Zweisamkeit bis zur lebensbedrohlichen Gewalt – sinnlich und schmerzhaft konsequent.
So, wie die engagierte, talentierte Julia dem exzentrischen Maler Joe begegnet, könnte eine große Liebe beginnen. Von Joes Abgründen lässt Julia sich nicht abschrecken, im Gegenteil. Doch warum malt er nur tote Frauen? Als sie ihm schließlich in seine abgeschiedene Hütte im Wald folgt, kommen sie einander so nahe, dass die Wahrheit nicht mehr zu verbergen ist.
Barbara Rieger verfolgt in einer rasanten Handlung minutiös die Motive und die Entwicklung emotionaler Abhängigkeit und zeigt, dass häusliche Gewalt jede und jeden von uns treffen kann.
Meine Meinung:
Fressen und gefressen werden - ein Roman zum Verschlingen
Julia hat den traditionell geprägten, ländlichen Familienstrukturen ihrer Kindheit längst den Rücken gekehrt und führt ein emanzipiertes Leben in der Großstadt. Neben ihrem Brotjob als Sprachtrainerin geht sie ihrer Leidenschaft, dem Zeichnen, nach und träumt von einer Karriere als Künstlerin. Als sie den arrivierten Maler Joe kennenlernt, entfaltet sich rasch eine leidenschaftliche Romanze. Doch was als Traum beginnt, mutiert allmählich zum Alptraum.
Hautnah erleben wir mit, wie Julia im Glauben an die große Liebe nach und nach ihre Selbstbestimmung aufgibt, wie sie die Veränderung im Verhalten ihres Partners machtlos mitansehen muss, wie jeder ihrer Versuche, es ihm recht zu machen und die Sprünge in ihrer heilen Beziehungswelt zu kitten, scheitert. Auch wenn wir als Leserschaft erkennen, in welche Falle die Protagonistin tappt, können wir ihr Lieben und Leiden, ihr Hoffen und Kämpfen gut nachvollziehen und fühlen mit ihr. Denn Julia ist kein naives Mädchen, sondern eine Frau wie du und ich – und jede Person, die schon einmal mit einem Narzissten zu tun hatte, kennt deren unglaubliche Anziehungskraft, den Sog, den sie entfalten, und die Mittel, mit denen sie (meist sehr erfolgreich) arbeiten.
Trotz oder gerade wegen der bedrückenden Thematik und der Negativspirale, in die Julia gerät, identifizieren wir uns voll mit der Protagonistin. Dafür sorgt nicht zuletzt der Schreibstil der Autorin, der, Julias Gedankengängen folgend, immer wieder Sätze abreißen lässt, mit einem schlichten „Aber“ das eben Gesagte widerruft – weil wir eben nicht immer den rationalen Erwägungen unseres Verstandes folgen, sondern viel öfter dem emotionalen „Aber“, das jede Ratio ad absurdum führt. Atemlos und gierig folgen wir Julia und ihrem „Aber“ in den Abgrund – erschüttert und bewegt bleiben wir nach der Lektüre zurück.
Fazit: Ein wichtiger Roman, der ein leider allzu aktuelles Thema psychologisch fundiert und nachvollziehbar aufbereitet, ohne auch nur im Ansatz belehrend oder moralisierend zu wirken. Es würde mich nicht wundern, wenn weitere Auszeichnungen folgen. Die Autorin Barbara Rieger ist jedenfalls ein Stern am österreichischen Literaturhimmel, dem ich weiterhin folgen werde.
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