„Geschichten aus dem Wienerwald“, das bekannteste Bühnenstück aus der Feder des österreichisch-ungarischen Schriftstellers Ödön von Horvath, ist ein Klassiker des österreichischen Theaters, den jeder Kulturliebhaber zumindest einmal gesehen haben sollte - wenn auch nicht unbedingt in der bemüht modernen Inszenierung des Burgtheaters.
Treffend zeichnet das Drama das Sittenbild einer von Doppelmoral geprägten patriarchalischen Gesellschaft, in der nur der Schein zählt und jeder sich selbst (und seiner Geldbörse) der Nächste ist. Wie immer überzeugt die schauspielerische Leistung des Ensembles, wenn auch einzelne Charaktere - nicht zuletzt die Hauptrolle - durch die für diese Art von Inszenierungen typisch überzeichnete, laute Darstellung an Tiefe verlieren.
Dass die einzelnen Szenen nicht wie in der Urfassung des Stücks hintereinander, sondern überlappend auf der Bühne dargestellt werden, entspricht zwar der Lebensrealität, verleiht der Aufführung aber etwas Bruchstückhaftes, Zerrissenes und verlangt dem Publikum höchste Konzentration und nicht zuletzt ein sehr gutes Gehör ab.
So wird aus einer runden Geschichte, in der man sich auf jeden Handlungsstrang einlassen und jede Szene in ihrer ganzen Symbolkraft erfassen kann, eine chaotische Skizze, die zwar einen Gesamteindruck hinterlässt, aber Vieles von dem, was das Stück zu bieten hat, verschenkt.
Wer „Geschichten aus dem Wienerwald“ noch nicht kennt, dem empfehle ich, es sich in einer klassischen Inszenierung anzusehen. Für Kenner des Stücks bietet die Inszenierung am Burgtheater eine neue Perspektive, der durchaus ein gewisser Reiz innewohnt.
Besonders stark wirkt das Finale: Zu harmonischen Musikklängen tanzen die Charaktere mit mechanischen, abgehackten Bewegungen einen dissonanten Reigen, in dem sie einander nicht wirklich begegnen, sondern sich immer weiter voneinander entfernen. Es sind Zombies - Reste von Menschen, deren Inneres durch das Erlebte so zerrüttet ist, dass nur äußere Hüllen übrig bleiben. Nach und nach ziehen sie sich von der Bühne zurück, während die Musik beklemmend unbekümmert weiterspielt. Was bleibt, ist Leere - die Leere im Inneren der Menschen, die sich mit gewaltiger Symbolkraft auf die Bühne überträgt.
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