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Himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt

Ein Kunsterlebnis der Extraklasse

Ich hatte mir viel von der Ausstellung „Edvard Munch Im Dialog“ in der Albertina versprochen - dennoch wurden meine Erwartungen weit überflügelt. Selten haben mich Gemälde so unmittelbar betroffen, so stark berührt wie die des norwegischen Künstlers, der mir nicht nur mit seinen Werken aus der Seele spricht, sondern auch mit seinen Worten, wenn er sagt: „Meine Kunst ist Selbsterkenntnis - Ich versuche darin, mir mein Verhältnis zur Welt klarzumachen. Also eine Art Egoismus - Gleichzeitig habe ich immer gedacht und gefühlt, dass meine Kunst auch für andere Menschen Klarheit schaffen kann in ihrer Suche nach Wahrheit.“

 

Und Klarheit schafft er. Niemand anderem gelingt es wie Munch, das Gefühl des Verlassenwerdens und Verlassenseins, die hilflose Angst davor und die verzweifelte Einsamkeit danach, so dramatisch und intensiv wiederzugeben. Der Betrachter wird nicht nur in das Bild, sondern in die Gefühlslage des Künstlers hineingezogen und geht gemeinsam mit ihm am Leben zugrunde. Minutenlang steht man gebannt vor Bildern, die sich in die Seele brennen und einen gleichermaßen erkannt wie erschüttert zurücklassen.

 

Kein Wunder, dass dieses Ausnahmetalent Künstlerinnen und Künstler bis in die Gegenwart inspiriert. Die aktuelle Ausstellung stellt ausgewählte Werke von sieben Künstlerinnen und Künstlern der Gegenwart, die sich an Munchs Werken orientiert haben, in direkten Bezug zum Oeuvre ihres Vorbilds. Auch hier - mit viel Fingerspitzengefühl platziert zwischen den Gemälden des großen Meisters - stieß ich auf Bilder, die mich zum Teil zu Tränen rührten: allen voran „gehenmüssen“ von Miriam Cahn, oder etwa „Die Witwe“ von Marlene Dumas.

 


Solcherart emotional durchgerüttelt, blieb mir nicht viel Zeit und Kraft, die übrigen Ausstellungen zu würdigen. Nicht viel, aber ein bisschen doch - und das war gut so! Die fast unerträglich schmerzhaften Gemälde von Gottfried Helnwein hätte ich - gerade aufgrund ihrer entsetzlichen Aktualität - nicht missen wollen. Und auch die Aufarbeitung des Aufenthalts in einer psychiatrischen Klinik in Ben Willikens „Kälte - Räume“ sorgte für Momente atemloser Betroffenheit. Die unerbittliche Sterilität, in der sich jedes Individuum auflöst, wirkt noch lange nach.

 

Fazit: Hingehen! Anschauen! Viel Kraft und Offenheit mitnehmen. Und wenn du mehrere Ausstellungen besuchen willst, zwischendurch eine Pause machen.


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